PresseAnrührend und aufrührerisch

— Kölner Stadtanzeiger

Ungewöhnliche Ausstellung mit Werken von Alfred Grimm im Kunstkabinett

Von Gisela Kind

Reichshof-Hespert. Mit einer ungewöhnlichen Ausstellung macht das Kunstkabinett von Bodo Gerono erneut von sich reden: „Landschaften, Kreuzigungen, Torten“ – wann hat man je eine deratige Zusammenstellung gesehen? Nicht um den traditionellen Passionsglauben geht es da vom Lämmlein, das der Welt Sünde trägt, oder vom Schmerzensmann mit der Dornenkrone. Nein, provokativ fordernd verlangt der Künstler Alfred Grimm vom Betrachter eine Stellungnahme zu diesem geschundenen Mann am Kreuz.

In der Gosse

Fast tritt man auf das Kruzifix, das da in der Gosse liegt, neben Zigarettenkippen und Hundekot. Man sieht schon, die Kehrmaschine, die das Gerümpel wegräumt. Und doch ist es ein Gekreuzigter, wie wir ihn von den Altären der Kirchen kennen in seiner mißachteten Würde und traurigen Hoheit. Diese Kreuzigungsthemen rühren an und wirken zugleich aufrührerisch in ihrer Vertrautheit und Provokation. Christus am Fixerkreuz, geopfert auf dem Altar der Spritzen, der Methadonpillen, der Abhängigkeit und Sucht.

Christus mit der Dornenkrone aus Patronen scheint auf aktuellste Bezüge hinzuweisen – und ist doch ohne zeitliche Fixierung. Seit es ihn gab, diesen Mann am Kreuz, wurde in seinem Namen gemordet und geschändet. Oder der Gekreuzigte auf dem Flohmarkt, gekauft für 30 Silberlinge. Christus mit der Dornenkrone auf der Intensivstation eines Krankenhauses, eingewickelt in Schläuche, die nur scheinbar Leben spenden, es vielmehr strangulieren. Seltsam: Diese „zweckentfremdeten“ Kruzifixe wirken echter als manche im kirchlichen Ghetto. Dieser mißbrauchte Christus am Kreuz wirkt wahrhaftiger als manch einer am traditionell heiligen Ort.

Alfred Grimm, dessen erste Ausstellung im Oberbergischen im Gummersbacher Theater 1986 fast mit einem Eklat endete, regt heilsam auf. Seine nervösen Zeichnungen, wechselnd vom sensiblen Bleistiftstrich in schwarz zu farbiger Pastellkreide, sind kleine Kostbarkeiten in Aufbau und Form. Platanen, Weiden, Alleen nimmt er zum Thema. Daneben immer wieder das Thema vom Vogelsterben durch Ölpest.

Seine „Tortenstücke“ schließlich sind skurrile, mit Humor servierte Segmente unseres Lebens. Tortenstücke musikalischer Art präsentieren Ursula Henze und Jessica Becker. Feinfühlig verstand es Ursula Henze, ihre Texte auf die bildnerischen Themen abzustimmen, indem sie Heinrich Heines Gedicht vom „Narren als Menschheitsretter“ vertonte. Natürlich hätte er genug Witz und Intelligenz gehabt, um etwas anderes wie ausgerechnet die Bergpredigt zu lehren und dafür „in der Gosse“ zu landen.

Bürgermeister Josef Welter begrüßte die vielen Kunstliebhaber, Bodo Gerono führte sachkundig ins Thema ein. Die Ausstellung ist noch bis 9. Mai geöffnet.

Zurück