PresseAxt der Barbarei

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Ja, die Kruzifix-Ausstellung von Alfred Grimm im Kloster Kamp ist brutal. Nein, sie will Jesus nicht verunglimpfen. Sie zeigt, was sein Tod auch war: eine Hinrichtung.

Von Ingo Plaschke

Am Niederrhein. Man ist im Namen der Kunst ja so einiges gewöhnt. Joseph Beuys erklärte einem toten Hasen die Bilder. Christoph Schlingensief rief lauthals „Tötet Helmut Kohl!“ Jonathan Meese grüßte bei Gelegenheit Adolf Hitler. Und immer wieder bringen Religionen und vor allem deren Vertreter Künstler auf provozierende und tabubrechende Ideen. In München wurde eine Buddha-Statue umgestürzt, in Pulheim wurde eine Synagoge mit Autoabgasen vergast, nicht nur in Paris wurde der Prophet Mohammed karikiert. Das muss man nicht alles gut, das darf man durchaus auch geschmacklos finden.

Wo aber endet die Freiheit der Kunst, die in Deutschland immerhin durch den fünften Artikel des Grundgesetzes geschützt ist?

Diese Frage mag man sich stellen, wenn man die steinigen Stufen zum Gewölbekeller neben dem Kloster Kamp hinuntergeht. Schließlich stellt hier gerade Alfred Grimm aus. Jener Künstler, der 1943 in Dinslaken geboren wurde und seit langem schon mit seiner Frau Barbara auf dem Land in Bruckhausen bei Hünxe wohnt. Das klingt zunächst einmal ziemlich harmlos, dabei sorgt dieser Mann regelmäßig und weit über die keinen Welten des Ruhrgebiets hinaus für große Schlagzeilen. Weil er schon seit Jahrzehnten Jesus Christus kreuzigt – auf seine ureigene Art, und weise.

Wie genau, das zeigen 30 seiner Kreuzgenossen, die aus seiner Endlos-Serie von mittlerweile 70 Kruzifix-Werken stammen. 14 weitere sind schon in Arbeit, zumindest im Kopf des ehemaligen Studenten der Kunstakademie Düsseldorf, bei Professor Karl Bobek und, das Etikett benutzt er nach eigener Aussage hemmungslos, bei Professor Joseph Beuys.

Seine Kreuzgenossen sind tatsächlich Kreuze aus Holz oder Metall, häufiger jedoch Kruzifixe, also künstlerische Darstellungen des gekreuzigten Christus. Die Kernsymbole seiner Kunstwerke sammelt der pensionierte Kunstlehrer des Dinslakener Theodor-Heuss-Gymnasiums auf Flohmärkten und übers Internet. Dabei kommt ihm ein drastischer Werteverfall zugute, 2015 nach Christi Geburt werden Jesus-Figuren oft schon für einen Euro gehandelt.

In seinem Atelier legt er dann, nicht selten nach einem tagträumerischen Einfall am Morgen, Hand an das Kind Gottes.

Mal legt er es zwischen zwei Brötchenhälften, mal beschmiert er es mit Ketchup, mal zerstückelt er es mit einem Messer und einer Gabel, mal hängt er es verkehrt herum an eine mit Hakenkreuzen beschmierten Häuserwand, mal sperr er es hinter eine Zielscheibe an einer durchlöcherten Wand, malkehrt er es in einen dreckigen Besenhaufen, mal wirft er es neben einem aus Polyester nachgebildeten Haufen Hundekot auf einem Gullydeckel.

Nein, die Kunst von Alfred Grimm ist für manche Menschen schwer verdaulich, unerträglich, nicht zu verstehen – und Gotteslästerung. Das weiß der Herr natürlich, er hat es bei seinen Ausstellungen genug erfahren. In ein altes Gästebuch wurde in Sütterlin-Schrift „Pfui!“ eingeschrieben, er erzählt von Besuchern, die ihm mit Schaum vor dem Mund eine Anzeige wegen Gotteslästerung androhten, sowie von der Frau, die dies die ekelhafteste Ausstellung sei, die sie je gesehen hätte.

Ja, die Kreuzgenossen von Alfred Grimm können provozieren und polarisieren, sie können verstören und verletzen. Aber nein, sie wollen nicht verunglimpfen. Weil das getaufte, konfirmierte und steuerzahlende Mitglied der evangelischen Kirche zwar bewusst aneckt, aber nicht um der Provokation, sondern um der Sache willen.

Selbstverständlich ist auch das Bild auf dem Ausstellungsplakat mit Bedacht gewählt. Es zeigt einen blutverschmierten Jesus am Kreuz. Daneben schlägt eine riesige Axt ein. Ein brutales Bild. Alfred Grimm hat es so gestaltet, weil auch die Kreuzigung Jesu eine brutale Tat war, eine Hinrichtung.

Der Künstler verhält sich wie viele seiner Kollegen, er sagt nicht viel zu seinen Werken. Das macht es dem Betrachter nicht immer einfach. Anderseits: Beim Anblick seines „Chemiechristus“, der vollgepumpt mit Arzneien am Kreuz hängt, ist der Gedanke an die Sterbehilfe nicht weit.

Alfred Grimm möchte, dass sich jeder ein Bild von seiner Kunst macht. Welches das sein kann, steht im Gästebuch: “Erschreckende Bilder, die zum Nachdenken anregen.“ – „Tolle Bilder, auch meine Jungs (16+14) waren sehr angetan. Danke!“.

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