PresseBegeisterung und skeptische Blicke

— Rheinische Post

Alfred Grimms Mahnmal steht seit gestern im Stadtpark

Dinslaken. Alfred Grimms „Judenkarren“ ist in Dinslaken eingetroffen. Das Mahnmal zur Erinnerung an die Reichsprogromnacht am 10. November 1938 „schwebte“ gestern morgen per Kran im Stadtpark ein. Kaum hatte es der Bruckhausener Künstler auf den Betonsockel dirigiert und vom Haken genommen, sammelten sich auch schon Schaulustige. Skeptische Blicke hier und dort, Staunen, Gespräche, spontane Begeisterung und Schulterklopfen für Alfred Grimm. Der nahm die ersten Glückwünsche für seine mehrteilige Bronzeskulptur zufrieden und auch ein wenig erleichtert entgegen.

Greueltaten wachhalten

„Phantastisch, hervorragend“, begeisterte sich ein Passant, während er immer und immer wieder auf den Auslöser seiner Kamera drückte. „Aber das gibt Ärger.“ Wenn er mit Ärger kontroverse Diskussionen meint, dann liegt dies ganz in der Absicht des Künstlers. „Dann hat das Mahnmal seinen Zweck erfüllt“, stellte Grimm fest. Über die Verbrechen der Nazis an den früher in Dinslaken lebenden Juden soll gesprochen werden. Auch heute noch 55 Jahre nach der schrecklichen Nacht, in der die Synagogen brannten. Denn nur das Wachhalten dieser Greueltatel verhindert, dass sie vergessen werden.

Daß diese Art von Vergangenheitsbewältigung unbequem ist, bestreiten weder der Künstler noch die Evangelische Kirchengemeinde, das Dekanat oder die Stadt Dinslaken, die das Mahnmal gemeinsam realisiert haben. Auch erste Reaktionen von Passanten auf die Skulptur, die sicherlich einen zentraleren und damit besser einsehbaren Standort verdient hätte, zeigten, daß das Kapitel Nationalsozialismus noch immer ungern aufgeblättert wird. „Das ist alles so lange her“, sagt Theo Kersken (79) während er den bronzenen Leiterwagen aufmerksam betrachtet. „Aber vergessen werden sollte es nicht!“ Und dann erinnert er sich an den Morgen nach der Brandnacht im November 1938. Kerksen war damals bei der Wehrmacht und hatte zwei Tage Fronturlaub. Mit dem Fahrrad fuhr er duch die Dinslakener Innenstadt. „Es war viertel vor sieben, morgens“, erzählt er. „Überall Feuerwehr, alles brannte, viele Menschen waren auf der Straße. Und keiner sagte etwas, alle waren schockiert.“

Dann deutet Theo Kersken auf die Namen der jüdischen Familien, die auf der Grimm-Skulptur eingraviert sind. Der eine oder andere kommt ihm bekannt vor. Wieder Erinnerungen: „Bei uns gegenüber, da haben auch Juden gewohnt. Das waren liebe nette Nachbarn. Wann die rausgetrieben wurden, weiß ich nicht mehr. Aber die hatten sich nie irgendetwas zuschulden kommen lassen.“ Bei der feierlichen Enthüllung des Mahnmals am 10. November will Theo Kersken dabei sein.

Reporter aus Ohio kommen

Der Besuch ehemaliger Dinslakener Juden, die am Montag, 8. November, zu einem einwöchigen Aufenthalt in Dinslaken erwartet werden, hat nicht nur in der Bundesrepublik ein Medienecho ausgelöst. Der „Cleveland Plain Dealer“, eines der renommiertesten Blätter im Bundesstaat Ohio, will die Einladung in die alte Heimatstadt journalistisch begleiten. Die Reporterin Betsy Sullivan und ein Fotograf haben ihr Kommen angekündigt.

Ralf Schreiner

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