Presse„Bei Beuys war alles viel zu vernebelt“

— Rheinische Post

Alfred Grimm: Längst nicht jeder ist ein Künstler

Die einen sprechen von „Kunst für die Welt“, die anderen schütteln verständnislos den Kopf: An Joseph Beuys scheiden sich weiter die Geister. Alfred Grimm, Beuys-Schüler und Kunsterzieher in Dinslaken, will in den Jubel anläßlich der Eröffnung des Museums Schloß Moyland nicht einstimmen. RP-Redakteur Ralf Schreiner fragte nach den Gründen.

Sie haben einmal gesagt, Beuys habe der Kunst großen Schaden zugefügt. Wie ist das zu verstehen?

Ich sage das als jemand, der selbst künstlerisch tätig ist, nicht als Sammler, nicht als Galerist, der den Preis hochhalten muß. Als Beuys die Fluxus-Richtung eingeschlagen hat und behauptete, jeder Mensch sei ein Künstler, haben das einfach alle nachgeplappert anstatt zu überlegen, was das überhaupt heißt. Diese Aussage ist doch höchst zweifelhaft.

Er hat das Schöpferische betont. Glauben Sie, daß die künstlerische Aussage darunter gelitten hat?

Ich bin Kunsterzieher. Wenn ich sehe, was bei einem Leistungskurs an Qualität herauskommt, sehe ich: Der eine hat eine größere Begabung, der andere kann es nicht. Aber es ist doch nicht jeder Schüler ein Künstler.

Nach Beuys schon. Ob ein guter oder schlechter, das ist eine andere Frage. Beuys wollte zu einer neuen Kategorie von Kunst finden, die Seele, Leben und Geist fördert.

Ist ein Künstler dazu da, Kunstbegriffe zu erweitern? Der hat zu zeichnen, zu malen und Plastiken zu machen. Was er darüber hinaus tut, macht er als Philosoph.

Beuys war Philosoph und Künstler. Und er war Lehrer. Glauben Sie, daß viele seiner Schüler den erweiterten Kunstbegriff als Alibi mißbraucht haben, um sich lästigen Qualitätsforderungen zu entziehen?

Ich habe mal eine Ausstellung seiner Schüler in Frankfurt gesehen. Das war so dilettantisch und schlecht, Schund. Später habe ich Beuys noch einmal in der Akademie erlebt. Er stand in einer großen Gruppe von Schülern. Was er da korrigierte, hätte er uns drei Jahre vorher noch um die Ohren gehauen.

Sie kritisieren auch Beuys’ politisches Engagement. Halten Sie Kunst und Politik nicht miteinander vereinbar?

Wo hat denn Beuys zuletzt überhaupt noch Politik gemacht? Ist der Aufwand für die eine Minute überhaupt gerechtfertigt? Vieles ist zu aufgeblasen, ist ein Nichts, wenn man es vor die Schärfe des Verstandes holt. Beuys hat vieles in eine Richtung gedrängt, wo gesellschaftliches Geplänkel mehr wirkt als künstlerische Substanz. Bei ihm war alles zu vernebelt.

Ihnen wirft man häufig vor, Wirklichkeit zu direkt, zu durchsichtig, zu banal abzubilden, anstatt sie sichtbar zu machen.

Ich wiederhole nicht bloß Vorhandenes. Ich übersetze es in anderes Material, in andere Größen. Beim Anschauen meiner Arbeiten braucht man nicht viel Theorie, die kommen direkt rüber. Sie sind nicht kopflastig. Aber nehmen Sie mal bei Beuys die Theorie und das Biographische weg. Was bleibt denn da übrig?

Das ist doch bei anderen Künstlern genauso, bei den Konstruktivisten etwa.

Da bleibt gar nichts.

Damit stellen Sie aber die gesamte Kunst in Frage?

Nur bestimmte Strömungen des 20. Jahrhunderts.

Zwischen Ihnen und Beuys gab es immer schon Differenzen. Warum bezeichnen Sie sich trotzdem als „Beuys-Schüler“? Fördert das den Verkauf ihrer Arbeiten?

Der Name ist zugkräftig, erregt Aufmerksamkeit. Außerdem bin ich nun mal Sohn meines Vaters. Das bedeutet aber nicht, daß ich alles von ihm beweihräuchern muß.

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