PresseBronze gegen das Vergessen

— Rheinische Post

Der Künstler Alfred Grimm hat seiner Heimatstadt zwei Mahnsteine übergeben. Sie erinnern an ehemalige jüdische Mitbürger. Rabbiner Paul Moses Strasko nannte die Bronzeskulpturen „von unschätzbarem Wert“ für Dinslaken.

Von Ralf Schreiner

Dinslaken Die kleine Kröte ist leicht zu übersehen. Paul Moses Strasko, Rabbiner der jüdischen Gemeinde Duisburg/Mülheim/Oberhausen entdeckte sie auf Anhieb. Alfred Grimm hat sie in die Bronzeskulptur eingearbeitet, die seit gestern vor dem Haus Eppinghovener Straße 8 an den Klempner und Installateur Julius Isaacson erinnert. „Sie steht für die Unkenrufe in der damaligen unseligen Zeit, die ungehört verhallten“, sagte der Rabbiner. Dann schickte er ein leises „Shalom“ hinterher. Das ist Hebräisch und bedeutet „Frieden“.

„Heute stehen wir auf der richtigen Seite“

Es war das richtige Wort, um eine Gedenkstunde zu beenden, die auf eindrucksvolle Weise deutlich machen sollte, wie Dinslaken heute mit seiner jüngeren Vergangenheit umgeht: würdig an die Opfer des Nazi-Terrors erinnernd, ohne die Rolle der Täter und Mitläufer zu verschweigen. Stellvertretende Bürgermeisterin Margarete Humpert hatte zuvor bei der Enthüllung des Mahnsteins für die Putzmacherin Elly Eichengrün vor dem Haus Duisburger Straße 3 der Opfer der Pogromnacht von 1938 gedacht. „Damals standen hier genau so viele Dinslakenerinnen und Dinslakener und sahen zu, wie die Nazis ihre jüdischen Mitbürger aus der Stadt und in den Tod jagten. Heute treffen wir uns auf der richtigen Seite.“ So wie bereits vor 19 Jahren bei der Einweihung von Alfred Grimms jüdischem Mahnmal im Stadtpark. Es habe die Zeit ohne Beschädigungen und ohne Schmierereien überstanden, sagte Humpert. Stattdessen hätten Unbekannte immer wieder Kerzen und Blumenschmuck abgelegt.

Kerzen flackerten auch gestern auf den Basaltsteinen der Mahnsteine. Margret Humpert betonte, wie wichtig es sei, dass Grimm mit seiner Kunst Erinnerungs- und Ruhepunkte in die Stadt bringe. Ebenso wie es gut und richtig sei, dass sich Dinslaken an der bundesweiten Aktion des Kölner Künstlers Gunter Demnig beteilige und im Gedenken an ehemalige jüdische Bürger Stolpersteine verlege.

Das sah Alfred Grimm auch so. Stolper- und Mahnsteine „liefern wirkliches Material wider das Vergessen“, sagte er. Gemeinderabbiner Paul Moses Strasko wurde noch ein Stück konkreter. Mir seinen Skulpturen gebe Alfred Grimm den Menschen, die einmal hier gelebt haben, wieder Gesicht, Geist, Gegenwart und Stimme. „Diese beiden Mahnsteine sind von unschätzbarem Wert für die Opfer, ihre Familien und für uns, die wir hier leben.“

Info

Zwei weitere Steine

Zwei weitere Mahnsteine für die Kaufleute Anna und Siegfried Bernhard (Standort Neustraße Ecke Friedrich-Ebert-Straße, Grünfläche vor der Santander-Bank) und die Viehhändler Julius und Josef Jacob (Standort Brückstraße 1, vor der evangelischen Kirche) werden im März 2013 realisiert.

Erinnerung an zwei jüdische Familien

Dinslaken (ras) Alfred Grimm will seine Mahnsteine nicht als Ehrfurcht einflößende Denkmäler oder dokumentierende Stolpersteine verstanden wissen. Auch unauffällige Gedenktafeln hielt er nicht für den richtigen Weg, um zu zeigen, wie tief verwurzelt die jüdische Gemeinde und die Geschäftswelt in Dinslaken waren. Deshalb hat der Künstler seine Skulpturengruppen als plastische Kunstobjekte realisiert, die zum Verweilen einladen. Die Information kommt dennoch nicht zu kurz. In die Bronzeplastiken integriert sind gerahmte Texte mit biografischen Angaben zu den jeweiligen Personen, denen die Steine gewidmet sind. Mahnstein eins: „Familie Eichengrün, Duisburger Straße 8, Elly Kann, geb. 1888, Putzmacherin, verheiratet mit Hermann Eichengrün, geb. 1880, Kaufmann. 1941 Flucht über die Niederlande in die USA, 1942 wurde ihr Sohn Erwin in Auschwitz ermordet. Tochter Thea überlebte“. Mahnstein zwei: „Familie Isaacson, Eppinghovener Straße 4, Julius Isaacson, geb. 1875, Klempner und Installateur, verheiratet mit Selma Luhs, geb. 1878, 1940 Flucht nach Buenos Aires, Tod beider in den 1940er Jahren. Neun Kinder: Frieda und Paul starben in Dinslaken, Günter und Werner wurden im KZ ermordet, Hans, Ilse-Henriette, Kurt, Max und Otto überlebten.

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