PresseChristus steht Kopf und Alarm in der Kiste

— HAMBURGER ABENDBLATT

Beim Kunstverein im Torhaus zeigt Alfred Grimm, was Kunst auch sein kann

Von Dierk Wulf

Elmshorn. Eine niederrheinische Seekuh tritt brüllend in Konkurrenz zu markerschütternden Sirenenklängen, die aus einem verkohlten TV-Gerät drängen – aber keine Sorge: die Feuerwehr ist schon da, tief ragt die Drehleiter ins desolate Gehäuse. Daneben ein Stuhl, der einst eine gynäkologische Abteilung ansehnlich möblierte, jetzt aber einer Spielzeug-Dorfidylle Heimstatt bietet – und außerdem noch schwer definierbarem Figürlichen. Wir sind mitten drin im Gruselkabinett des Alfred Grimm. Der Künstler aus Hünxe am Wesel-Datteln-Kanal (dort hat mans mit dem X, Xanten und Henxel sind nicht weit) ist auch diesmal wieder tief in sein Kuriositäten-Archiv hinabgestiegen, es muss irgendwo dort angesiedelt sein, wo der Herr der Finsternis sein Unwesen zu treiben pflegt …

1991 gastierte Grimm bereits einmal beim Kunstverein, und schon damals erregte er Aufsehen – wie übrigens überall im Lande, wo der Beuys-Schüler seine künstlerischen Fühler spielen lässt. Manches Mal wurde dabei „Skandal“ skandiert – und in der Tat ist bei Grimm auch immer ein heftiger Happen Provokation im Spiel. Bei den Tortenstücken zum Beispiel, die jedes Konditorenherz kobolzen lassen – „Fehlgeburtstagstorte“ ist im Angebot, aber auch eine „Joseph-Beuys-Torte“, mit der Grimm seinen großen Lehrmeister grüßt.

Damit wären wir schon oben im Ausstellungsraum angekommen, wo Grimm ein wenig mehr Milde walten lässt. Hier hängen auch die großformatigen Objektbilder des Künstlers, in denen er eine Geißel der Neuzeit umkurvt: den Straßenverkehr und seine nicht selten tödlichen Folgen. In den „Unfall mit Begrenzungsleuchte“ (1997) hat der Künstler Originalteile von Baustellen und Autofriedhöfen montiert, „Hirschunfall“ (1999) konfrontiert den Betrachter mit Geweih, Tierschädel und lädiertem Autobug. Und ein richtig schöner Schlafzimmerhirsch in Öl hat das ganze unter Kontrolle – sozusagen vom Hirschhimmel aus.

Alfred Grimm liebt die direkte Sprache, auch wenn er manchmal Gefahr läuft, ins Banale zu rutschen. Das nimmt er um des Effektes willen in Kauf, denn seine Anliegen sind von tiefernstem Charakter, einem Ernst, der aber durchaus auch von intellektuellem Witz tangiert ist. Der „Australische Christus“ hängt schlicht auf dem Kopf an seinem Kruzifix, einfacher lässt sich Antipodenglaube bei uns doch kaum vermitteln; die Schulkinder werden im Torhaus ihre Freude haben.

Am Eröffnungsabend machte Grimm deutlich, dass er über erhebliche Qualitäten als Selbstdarsteller verfügt. Wenn es mit dem Video auch nicht recht klappte. Aber das war kaum von Bedeutung. Fernsehen haben wir ja schließlich zu Hause. Aber dies ist dem Künstler gelungen: seine Kunst bietet Raum für emotionale Entfaltung, sie führt Sehen und Denken zusammen.

Zurück