PresseDie letzten Kruzifixe: Jesus im Kugelfang
— Rheinische Post
Von RALF SCHREINER
DINSLAKEN/HÜNXE. Vielleicht hätten sie Jesus zunächst gekreuzigt und dann auf ihn geschossen. Ein sportlicher Wettkampf, nur so zum Spaß. 100 Punkte für einen Treffer ins Herz, 50 für die Dornenkrone. Römer waren grausam. Alfred Grimms Golgatha ist es auch. Seit 1990 führt der Künstler (Jahrgang 1943) aus Hünxe den Betrachter zu Schädelstätten, die die Menschen empören, schockieren, aufrütteln oder sie betroffen schweigen lassen. Über 60 Einzelwerke kleinen und großen Formats, konzipiert als Hänge- und Standobjekte, hat Grimm seit der ersten Ausstellung in der Evangelischen Stadtkirche in Dinslaken geschaffen. In über 25 Ausstellungen in ganz Deutschland sorgten sie für Furore. Jetzt gibt es neue Objekte: „Die letzten Kruzifixe“ sind vom 8. März bis zum 31. April in der Evangelischen Kirche in Büderich zu sehen.
Römische Folterknechte
Der „Römische Christus“ gehört dazu. Alfred Grimm hat den Gottessohn in einen durchlöcherten Kugelfang genagelt. Er macht ihn zur Zielscheibe von Hohn und Spott, zum perfekten Opfer. Dabei spürt er einmal mehr der Frage nach, wie sich dieser Spott hier und heute in einem zivilisierten, modernen Land äßern würde. Wie würde sie ausfallen, die Wahl der Waffen. Pumpgun und Pistole? Beides gab es noch nicht im Jahr 33 des Herrn. Die Folterknechte begnügten sich mit Kreuzigung. Eine zwar legale, aber brutale und schmerzvolle Hinrichtungsmethode für Verbrecher und aufständische Sklaven. Zudem sehr schmachvoll und gesellschaftlich verachtet.
Der Kreuzestod hat viele Gesichter. Alfred Grimm wird nicht müde, möglichst viele davon zu zeigen. Der formale Ausgangspunkt ist immer gleich. Die historischen Kruzifixe gelangen von Trödelmärkten und Dachböden, als Geschenk oder Mitbringsel in die Hand des Künstlers. Bei der Gestaltung der Objekte ist sich Grimm ebenfalls treu geblieben. Er geht den vor 13 Jahren eingeschlagenen Weg konsequent weiter, baut Knochen, Spielzeug und Drogenspritzen, Fernseh- und Computerteile sowie Alltagsmüll und unzählige Gebrauchsgegenstände in seine Werke ein. Grimm provoziert durch Verfremdung; er scheut auch dann nicht vor grotesker Überzeichnung zurück, wenn ihm – wie schon häfig geschehen – der Vorwurf grober Geschmacklosigkeit droht.
Kopfüber stürzt er Christus aus einem zersplitternden Spiegel, macht ihn als Klon zum Objekt wissenschaftlicher Begierde und als Voodoo-Püppchen zur exotischen Wohnzimmerdekoration. Hier baumelt der Heiland an einer brandschwarzen Mauer mit weißem Hakenkreuz, dort spießt ihn der Künstler auf einen Fleischerhaken und lässt ihn ausbluten wie ein geschlachtetes Lamm. So viel Radikalität verstört, wühlt auf und erschreckt. Doch der Schrecken birgt Erkennen und führt damit über die physische Beschaffenheit des Objekts hinaus. Er dringt bis zur Seele vor.
Die Ausstellung in Büderich wird heute um 19.30 Uhr eröffnet. Öffnungszeiten: zu den Gottesdiensten. Am 30. März findet um 11 Uhr nach dem Gottesdienst ein Gespräch mit dem Künstler statt.