PresseDiskussionen um Mutter-Erde-Stuhl

— Stadtanzeiger

Grimm Ausstellung in Rees

Rees. Alltäglichkeiten findet man im Museum Koenraad Bosman in Rees derzeit nicht. „Grimms Alltäglichkeiten“ hingegen ließen sich über hundert Besucher zur Ausstellungseröffnung nicht entgehen.

Der Dinslakener Künstler Alfred Grimm, der schon 1992 im Reeser Rathaus ausstellte, absolvierte sein Studium in Düsseldorf bei den renommierten Professoren Bobeck und Beuys. Der Kunsthistoriker Joachim Schneider erläuterte in seiner Einführung Parallelen und Gegensätze Grimms zu seinem Lehrer Beuys. Grimm komponiert Plastiken und Bilder die durch ihre skurrile Erscheinung, ihren bissigen Witz und ihre klare Aussage den Betrachter unmittelbar ansprechen. Er setzt sich mit der ihm umgebenden Wirklichkeit sowohl ernsthaft als auch humorvoll auseinander. Unschöne Realität soll auch Gegenstand von Kunst sein, doch gelingt Grimm dabei ein hoher Grad an optischem Reiz und künstlerischer Kraft.

Dass ein Kunstwerk erst durch den Betrachter und dessen Reflexion vollständig ist, zeigte die rege Diskussion der Ausstellungsbesucher an den Objekten. Da ist der Fernseher, durch den man ein segelndes Boot auf einem See sieht, über dem überdimensional ein Euter aus Pappmache schwebt. „Werden hier Touristen auf dem Reeser Meer gemolken?“

Der Eingriff der Menschen in die Schöpfung führt Alfred Grimm im Mutter-Erde-Stuhl vor. Mutter Erde, aus Pappmache auf einem gynäkologischen Untersuchungsstuhl geformt, hat all seine Reize verloren. Aus Schläuchen wird aus ihrem Innersten, einem Eisenbahntunnel, das Letzte gesaugt, während sich auf der Oberfläche Dörfer und Industrie breitmachen. Die Diskussionen an und um den Stuhl wurden von der Sorge im Reeser Rathaus ausgelöst, in der Bevölkerung Unmut über die Ästhetik eines gynäkologischen Stuhls zu schüren. Dass ein Untersuchungsstuhl nicht nur Angst und Leid vermittelt, sondern dass man auch auf ihm und über ihn lachen kann, zeigten Gespräche zwischen Medizin und Kunst. „Endlich wird wieder über Kunst geredet“, freute sich die Vorsitzende des Kulturausschusses Gisela Berendt über diese bemerkenswerte Ausstellung.

Unwillen vermittelt da schon eher der reale Untersuchungsstuhl, denn der ist heutzutage elektrisch.

Elisabeth Hanf

Zurück