PresseKunst als Baustelle

— NRZ/WAZ

Kein anderer Künstler ist im Dinslakener Stadtbild so präsent wie Alfred Grimm

Von Bettina Schack

Dinslaken. Das Mahnmal in Erinnerung an die jüdische Gemeinde in Dinslaken im Stadtpark, die Gedenkstätte für die selige Schwester Euthymia im Park des St. Vinzenz-Hospitals, die „Baustelle“ vor den Stadtwerken, die Außenplastik zu 100-jährigen Bestehen der Firma Steinhoff, im nächsten Jahr die Mahnsteine für jüdische Handwerker und Geschäftsleute. Kein anderer Künstler ist im Stadtbild Dinslakens so präsent wie Alfred Grimm.

Aber Kunst im öffentlichen Raum entsteht im Spannungsfeld des individuellen Künstlers und der Öffentlichkeit. Und dieses bedeutet zunächst die öffentliche Hand. „Das Konzept entwickelt der Auftraggeber“, so Alfred Grimm, „steht es, werden Künstler direkt angesprochen oder es kommt zu einer Ausschreibung.“ So war es mit dem „Judenkarren“, dem Mahnmal am Rande des Stadtparks, bei dem der Entwurf Grimms aus den Vorschlägen von fünf Künstlern ausgewählt wurde.

Die Schaffung eines Kunstwerkes, bzw. des in sich geschlossenen Entwurfs, der dann im langwierigen Prozess vom Modellieren in Wachs bis zum Bronzeguss Gestalt an nimmt, vergleicht Alfred Grimm mit der Geburt eines Babies. „Im glücklichen Fall ist die künstlerische Arbeit eines Abends, ein komplettes Wesen zu erschaffen. Wie bei einem Neugeborenen ist dann bereits alles dran“. Das Kunstwerk hat Hand und Fuß, muss durch die weiteren Arbeitsprozesse nur noch wachsen und groß werden.

Bronze für die Ewigkeit

Doch entsteht dieses „Wesen“ nicht isoliert von seinem späteren Umfeld. Kunst und thematischer Inhalt bzw. Deutung sind eine Sache. Die Verantwortung, ein Objekt öffentlich und unbewacht aufzustellen eine andere. Aufstellung, Verankerung nicht nur aus Gründen der Stabilität, sondern auch aus Schutz vor Diebstahl, Sicherheit. „Eine Plastik darf nicht zum Unfallrisiko für spielende Kinder werden, keine beweglichen Teile haben, mit denen unabsichtlich oder absichtlich Verletzungen herbeigeführt werden können“, so Grimm.

Auch Holz lehnt er ab: „zu witterungsanfällig“. Grimm bevorzugt Bronze. Denkmäler für die Ewigkeit. In diesem Zusammenhang spricht der Beuys-Schüler recht desillusionierend über die Werke seines alten Professors, deren Margarine im Museum nur durch elektrische Kühlung erhalten wird.

Bronze also. Oder Stahl. Die Kehrseite der Medaille ist der Preis. Alfred Grimm betont, dass er die Werke für Dinslaken trotz alle Sponsorengelder nicht hätte realisieren können, wäre er freischaffender Künstler und somit auf das Honorar als Sicherung seines Lebensunterhaltes angewiesen.

Öffentliche Aufträge sind für Künstler Renommee und Werbung für ihre weitere Arbeit, aber in den Zeiten städtischer Sparzwänge werden sie für freischaffende Künstler zunehmend zur kaum zur stemmenden Belastungsprobe.

Provokation und Publicity

Hintergründe die die Öffentlichkeit nur selten wahrnimmt. Was nach außen zählt ist die Wirkung. Alfred Grimms „Baustelle“ wurde in Dinslaken so heiß diskutiert, dass sie Kultcharakter bekam. „Was soll der Mist“ fragte der damalige Dinslakener Baudezernent, als er 2001 vor die Haustür trat und dort die Grimmsche Baugrube fand. Gut abgesperrt am Fahrbahnrand der Althoffstraße, aber nicht als Straßenbaumaßnahme genehmigt.

Die täuschend echt aussehende Baustelle war Kunst, politisch zudem, da sie einen getöteten Soldaten des 2. Weltkrieges freizulegen schien. „Mist“ oder gelungener „Kunstgriff“. Dinslaken diskutierte in der Presse, auf Straßen, im Internet. Dann fanden sich für alle Objekte des Skulpturenwegs Sponsoren. Nur die „Baustelle“ blieb einer Baustelle.

Schließlich habe Bürgermeisterin Sabine Weiß Dr. Thomas Götz direkt angesprochen, erinnert sich Alfred Grimm. Dieser habe erklärt, dass Baustellen zum Alltagsgeschäft der Stadtwerke gehörten und ließ das gesamte Objekt in Bronze gießen. „Und damit wurde es zum teuersten Kunstwerk des ganzen Skulpturenwegs“, freut sich Alfred Grimm.

Provoziert ein Kunstwerk, bringt es Publicity. Doch ist es nicht das, was Alfred Grimm sich für seine Kunst vor Ort wünscht. Als er das Objektfenster für die ev. Kirche in Bruckhausen schuf, wurde die Gemeinde eingeladen, bereits im Atelier Zugang zu den Ideen hinter den Star-Wars-Figuren und Heroinspritzen zu bekommen. Als das Fenster dann enthüllt wurde, wurde es sofort akzeptiert, da es verstanden wurde.

Kunst für die Öffentlichkeit ist auch die Kunst, die Öffentlichkeit auf dem Wege zur Kunst mitzunehmen.

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