PresseMahnsteine für Dinslaken

— NRZ

Alfred Grimm plant Erinnerung an jüdische Geschäfte in der Innenstadt

Bettina Schack

Dinslaken. Mit ihren Geschäften mitten in der Innenstadt waren sie fest im Dinslakener Leben verwurzelt. Man kaufte Anzüge und Krawatten bei den Geschwistern Salomon. auf der Neustraße oder einen neuen Hut bei Hermann Eichengrün. Brauchte man einen Installateur, rief man Julius Isaacson und mit den Angeboten im Kaufhaus von Siegfried Bernhard konnte man seine komplette Wohnung einrichten. Die Genannten gehörten zur Dinslakener Geschäftswelt, wie viele ihrer jüdischen Glaubensgenossen. Bis die Nazis die Macht ergriffen und Vertreibung und Tod brachten.

Erst in den letzten Jahren wurden Grundbesitz und Einzelhandelstätigkeiten jüdischer Bürger in Dinslaken wissenschaftlich aufgearbeitet und dokumentiert. Nun soll die Erinnerung an sie wieder im Stadtbild sichtbar werden. 20 Jahre nach der Einweihung des bronzenen Mahnmals im Stadtpark plant Alfred Grimm die Realisierung von Mahnsteinen in der Innenstadt. Kleine Mahnmale aus Stein und Bronze, die an die jüdischen Mitbürger von einst in ihrem beruflichen Kontext erinnern, Orte von zwei Metern mal 70 Zentimetern Fläche, die mit Sitzsteinen zum Verweilen einladen, lebendige Orte der Erinnerung, neue Stationen des Skulpturenwegs.

Die Mahnsteine – jedes dreiteilige Ensemble wird mit Kosten in Höhe von 7500 Euro veranschlagt, soll ausschließlich aus Sponsorengeldern und privaten Spenden finanziert werden. Das Projekt wird vom Kulturkreis Dinslaken betreut und von der Verwaltung begleitet. Die Kirchen sind mit eingebunden. Gestern stellte Alfred Grimm Idee und Geschichte gemeinsam mit dem Leiter des Fachdienstes Kultur Klaus-Dieter Graf und der Vorsitzenden des Kulturkreises Gabriele Scholz der Öffentlichkeit vor.

Gedenkjahr 2013

Die Idee wuchs seit 2007, bereits 2008 zeichnete Alfred Grimm einen ersten Entwurf. Damals verlief das Projekt im Sande, doch der Gedanke blieb bei Museumsleiter Dr. Peter Theissen und Stadtarchivarin Gisela Marzin wach. Nun ist das Jahr 2013 anvisiert. Dann jähren sich das Gedenken an 80 Jahre Machtergreifung und 75 Jahre Pogromnacht, der „Judenkarren“ im Stadtpark erinnert seit 20 Jahren an das Schicksal der jüdischen Gemeinde Dinslaken.

Sieben mögliche Orte für die Aufstellung hat Alfred Grimm gemeinsam mit Jürgen Grafen erarbeitet. Sie sollen heute der Feuerwehr vorgelegt und auf ihre Machbarkeit geprüft werden. Zwei Mahnsteine sind bislang durch Sponsoren finanziert, Alfred Grimm hofft auf die Realisierung von insgesamt vier Plastiken im Bereich Neustraße und Altstadt.

Grimms Mahnsteine sind derzeit nicht das einzige dauerhafte Projekt, mit dem sich der Dinslakener Arbeitskreis „Gegen das Vergessen“ beschäftigt. Wie gemeldet wird Anne Prior einen Verein gründen, der die Verlegung von „Stolpersteinen“ des Kölner Künstlers Gunter Demnig auch in Dinslaken verwirklichen möchte.

Mahnsteine, Stolpersteine oder beides? Im Bereich der Neustraße wird es zu Überschneidungen kommen. Klaus-Dieter Graf gibt sich zuversichtlich, im Arbeitskreis habe man bislang zu einem harmonischen Miteinander gefunden.

Alfred Grimm nennt das doppelte Engagement „eine unglückliche Entwicklung“, spricht sich bei den konkreten Fällen für ein Entweder-Oder aus. Seine Plastiken beinhalten ebenso wie die „Stolpersteine“ Platz für Gravuren, in denen dem dokumentarischen Aspekt des Gedenkens Rechnung getragen wird.

Kommentar

Bausteine des Gedenkens

Bettina Schack

Mahnsteine, Stolpersteine. So ist das in Dinslaken: Jahrelang passiert nichts, und dann werden innerhalb von nur einer Woche gleich zwei Konzepte zur Erinnerung an das jüdische Leben in Dinslaken vorgestellt. Ein unglückliches Konfliktpotenzial ausgerechnet bei einem derart wichtigen wie sensiblen Thema? Nur auf dem ersten Blick.

Da sind auf der einen Seite die Mahnsteine von Alfred Grimm. Plastiken aus Stein und Bronze. Sie erinnern an die jüdischen Mitbürger nicht als Opfer, sondern als aktive Teilhaber am Dinslakener Arbeits- und Geschäftsleben. Kleine Gedenkstätten vor ihren früheren Geschäften, die mit ihren jeweils zwei Sitzsteinen bewusst und ausdrücklich einladend sind – eine lebensnahe Ergänzung zum 18 Jahre alten Mahnmal, das den Betrachter mit der „Täterperspektive“ verstört.

Doch gerade in der Größe liegt die Einschränkung: nur eine Handvoll Mahnsteine wird es geben. Hier werden Gunter Demnigs deutschlandweit vertretene Stolpersteine wichtig: Sie können die umfassende Dokumentation auf Dinslakens Straßen gewährleisten, nicht nur für die jüdischen Mitbürger, sondern für alle Opfer der Nationalsozialisten. Mahnmal, Mahnsteine und Stolpersteine fügen sich so zu einem Gesamtkonzept zusammen. Und das kann Dinslaken in Sachen Aufarbeitung und Erinnerung vorbildlich werden lassen.

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