PresseMahnsteine mit Messer und Kaffeepott

— Rheinische Post

Der Künstler Alfred Grimm hat Dinslaken zwei weitere Plastiken übergeben. Sie erinnern an den Kaufhausbesitzer Siegfried Bernhard und die Viehhändler Julius und Josef Jacob – jüdische Bürger, die von den Nazis ermordet wurden.

Von Ralf Schreiner

Dinslaken Heftiger Schneeregen, die Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt – nicht das beste Wetter, um Kunst im öffentlichen Raum zu enthüllen. Zur Übergabe der beiden Mahnsteine von Alfred Grimm waren gestern trotzdem gut 60 Interessierte gekommen. Um sie vor den Wetterkapriolen des Dinslakener Frühlings zu schützen, hatte der Künstler die Feierstunde kurzerhand ins Bürgerbüro verlegt.

„Der Weg der Erinnerung ist ein Stück reicher geworden“

Margarete Humpert
Stellvertretende Bürgermeisterin

Wie bereits bei der Enthüllung der beiden Mahnsteine für die Putzmacherin Elly Eichengrün und den Klempner Julius Isaacson im Oktober, fiel erneut der erneut der stellvertretenden Bürgermeisterin Margarete Humpert die Aufgabe zu, über die Bedeutung der Bronzeskulpturen zu sprechen. „Der Weg der Erinnerung in Dinslaken ist ein Stück reicher und aussagekräftiger geworden.“ Überall in der Stadt finde man mittlerweile Haltepunkte, die jüdisches Leben dokumentieren. „Wer mit offenen Augen durch unsere Stadt geht, kann die Spuren der Erinnerungen deutlich sehen.“

Auch die beiden neuen Plastiken – sie sind als dreiteilige Basaltsteinensembles ausgestattet, der mittlere Stein trägt jeweils eine Bronzekrone – sollen keine Ehrfurcht einflößende Denkmäler sein. Sie sollen die Erinnerung an die ehemalige blühende jüdische Gemeinde in Dinslaken wachhalten. Alfred Grimm hat eine “optisch griffige Lösung“ finden wollen, sagte er den im Schneeregen frierenden Menschen. Der dritte und der vierte Mahnstein geben Auskunft über die Viehhändler Julius und Josef Jacob und den Kaufhausbesitzer Siegfried Bernhard.

Zunächst aus Wachs geformt, dann in Bronze gegossen, führt der Künstler plastisch vor Augen, was man bei Siegfried Bernhard, der das größte Kaufhaus in Dinslaken vor dem zweiten Weltkrieg betrieb, erwerben konnte: Schränke, Tücher, Betten und Geschirr, also vollständige Haushaltseinrichtungen. Die Aufstellung dieses Ensembles erfolgte genau neben dem ehemaligen Kaufhaus an der Friedrich-Ebert-Straße, in der sich heute die Filiale der Santander-Bank befindet.

Die vierte Mahnsteingruppe steht neben der Evangelischen Stadtkirche an der Brückstraße, genau gegenüber dem Haus, aus dem die beiden Viehhändler Julius und Josef Jacob in der Pogromnacht vertrieben wurden. Die beiden waren Vettern. Der eine betrieb Handel am rechten, der andere am linken Niederrhein. Plastisch-sinnlich können Betrachter auch bei dieser Plastik sehen, worum es geht: Ein abgetrennter Kalbskopf, ein Viehstrick und ein Messer weisen auf das Tier hin, „das zur Schlachtbank geführt wurde“, erklärte Grimm. Auf den Viehhandel der beiden Vettern deutet eine Geldbörse und entsprechendes Zahlungsmittel hin.

Margarete Humpert war von den Kunstwerken beeindruckt. Sie lobte das „vorbildliche“ Engagement der Dinslakener. Die Mahnsteine sind ausschließlich über Sponsorengelder finanziert. Die Stadt hat lediglich bei der Verankerung der Plastiken geholfen. Humpert regte an, für diesen „Weg der Erinnerung“, zu dem auch das von Alfred Grimm 1993 im Stadtpark enthüllte Mahnmal gehört, ein Informationsblatt mit Erklärungen und Fakten zur Historie aufzulegen. Damit alle, die diesen Weg ablaufen wollen, die Zeichen jüdischen Lebens, denen sie begegnen, richtig zu deuten verstehen.

DIE STANDORTE

Ein Kaufhausbesitzer und zwei Viehhändler

Der dritte Mahnstein (Standort Neustraße Ecke Friedrich-Ebert-Straße) erinnert an Siegfried Bernhard, der an der Neustraße 70 das größte Kaufhaus Dinslakens vor dem zweiten Weltkrieg betrieb. Er wurde mir seiner Ehefrau nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Der vierte Mahnstein (Standort vor der Evangelischen Stadtkirche) erinnert an die Familien Julius und Josef Jacob. Sie lebten an der Brückstraße und der Duisburger Straße 7. Julius Jacob war verheiratet mit der 12 Jahre jüngeren Frieda Coppel. Die Eheleute und Tochter Elisabeth wurden in Riga und Stutthoff ermordet. Sohn Fritz und Tochter Trude flohen nach Uruguay. Josef Jacob war verheiratet mit Amanda Gompertz, geboren 1896). Alle Familienmitglieder wurden 1941 nach Litzmannstadt (Lodz) deportiert und ermordet.

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