PresseVersteckter Schmerz unterm Schrubberlappen

— Rheinische Post

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Alfred Grimm enthüllt in seiner Kunst, was das Kreuz wirklich ist.

Die meisten Menschen in Deutschland haben sich an den Anblick eines Kreuzes gewöhnt. Manche tragen es sogar als persönlichen Schmuck und nur wenige wehren sich gegen dieses Zeichen in der Öffentlichkeit.

Ganz ähnlich haben wir uns auch an das Leiden der Menschen in der Welt gewöhnt, auch die schlimmsten Nachrichten des Tages gehören zum regelmäßigen Abendprogramm. Die Terrorgruppen aus dem Kalifat müssen schon immer grausamere Bilde bringen, um noch genügend Aufmerksamkeit zu generieren. Doch manchmal rückt uns der Schmerz anderer Menschen auch persönlich auf die Pelle, so wie jetzt, wo so viele (auch von hier) beim Absturz eines Airbus A320 in den französischen Alpen jäh aus dem Leben gerissen wurden. Sonderbar, man gewöhnt sich sogar daran; an Gewalt, an schlimmste Bilder, an Leid, ans Kreuz, ja man stumpft ab.

Alfred Grimm enthüllt uns in seiner Kunst, was das Kreuz wirklich ist. Ich mag seine Kruzifixe eigentlich nicht, aber sie lenken meine Aufmerksamkeit auf das, was das Kreuz mir sagen will. Beim Aufnehmerchristus muss man schon genauer hinschauen! Der Gekreuzigte entzieht sich unsren Blicken unter einem schmutzigen Lappen. In manchem Putzraum sieht es nicht anders aus. Mir kommt das Wort Jesajas in den Sinn: „Er sah nicht so aus, dass wir Gefallen fanden an ihm. Er wurde verachtet und von den Menschen gemieden… Wie einer, vor dem man das Gesicht verhüllt, war er verachtet; wir schätzen ihn nicht.“ Auch Grimms Christus verbirgt sich vor unseren Augen unter einem Schrubberlappen. Irgendwo sauber zu machen, Dreck, Blut und Schweiß anderer wegzumachen, das gilt nicht als edelste aller Aufgaben und wird oft beschämend schlecht bezahlt. „Er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“, schreibt Paulus über Jesus und „er wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich“. Das ist doch mit Christus unter dem Aufnehmer wunderbar ausgedrückt. Er ist sich nicht zu schade, auch unser Leid zu sehen und unseren verborgenen Schmerz. Er ist sich nicht zu schade, mein kleines, wenig aufregendes Leben zu teilen. Christus mit Schrubber und Schrubbereimer bringen mir einen etwas rätselhaften Psalmvers in Erinnerung: „Wasch meine Schuld von mir ab und mach mich rein von meiner Sünde!...Entsündige mich mit Ysop, dann werde ich rein; wasche mich, dann werde ich weißer als Schnee.“ Wer wünscht sich das nicht manchmal: von allem befreit, was früher war… einen neuen Anfang machen zu können. Ich denke, das wäre ganz im Sinne Jesu.

Aber den Schrubber muss ich – in seiner Nachfolge – schon selbst in die Hand nehmen. Und einfach mal Reinemachen bei mir. Und dabei kommt er mir auch ein wenig näher, der Gottessohn. Mir scheint, dieser „schäbige“ Christus enthüllt uns mehr über den wahren Christus als so manche kostbare und schöne Darstellung des verherrlichten Herrn.

Markus Gehling

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